Es ist für uns immer wieder aufs Neue faszinierend, dass von der ersten Hochkultur Europas, der minoischen Kultur, so wenig bekannt ist. Nicht einmal die von den Minoern verwendete Schrift konnte bis heute vollständig entschlüsselt werden. Bekannt ist, dass die minoische Kultur ihre Blütezeit von ca. 2600 v. Chr. bis 1400 v. Chr. hatte, und dass sich ihr Wirkungsbereich nicht nur auf Kreta beschränkte: so haben wir auf der nördlich von Kreta gelegenen Kykladeninsel Santorini auch bereits eine minoische Siedlung besucht. Und während wir bei unserem ersten Besuch auf Kreta den bekannten Palast von Knossos, sowie den Palast von Malia besuchten, besuchten wir dieses Mal andere Wirkungsstätten der Minoer.
Kreta wird während des Sommers mehrmals pro Tag von verschiedenen Airlines angeflogen, neu fliegt auch Aegean Air direkt auf die Insel. Als Unterkunft haben wir wiederum das von Giorgios und seiner Familie geführte Creta Blue Boutique Hotel östlich von Heraklion gewählt, welches etwas oberhalb von Chersonissos direkt am Hang liegt und dafür eine wunderbare Sicht auf die Ägäis bietet: abends bei Sonnenuntergang auf dem Balkon zu sitzen, den Blick über das Meer schweifen zu lassen und einen kühlen lokalen Weisswein und ein paar Oliven zu geniessen - ja, so fühlt sich definitiv Sommer an, insbesondere, wenn bei uns bereits der Herbst Einzug hält. Und wem abends nach authentischer griechischer Küche steht, der wird im Ort Koutouloufari, wo sich das Hotel befindet, definitiv fündig. Uns haben die Speisen der Taverne Pithari bestens geschmeckt.
Dieses Jahr machten wir uns als Erstes auf in den Süden der Insel: bei Heraklion bogen wir südwärts nach Moires und besuchten dort in der Nähe die Ausgrabungsstätte des Palastes von Festos, welcher auf die Zeit 2000-1400 v. Chr. datiert wird. Von der Ausgrabungsstätte hat man einen wunderbaren Blick über die Ebene, da die Palastanlage leicht erhöht am Hang liegt. Es ist beeindruckend, sich vorzustellen, wie hier in dieser grossen Palastanlage und ihrer umgebenden Häusern und Strassen vor 4000 Jahren die Menschen wohl gelebt haben. Ganz besonders lebendig wird die Vorstellung beim Betrachten von Vorratsbehältnissen und Sammelbecken für Flüssigkeiten, welche wir in einem als Magazin bezeichneten Gebäude entdeckten.
Nur 3 Kilometer von Festos entfernt findet sich eine weitere Ausgrabungsstätte minoischer Kultur, benannt nach einer byzantinischen Kirche an diesem Ort: AgiaTriada. Ob es sich dabei um die Überreste einer vornehmen Villa, um ein Heiligtum oder doch auch um einen Palast handelt, wird kontrovers diskutiert. Spannend bei Agia Triada ist, dass nach den Minoern die Mykener den Ort übernahmen und weiter entwickelten, so dass auch dieser Ort eine mehrere Jahrhunderte dauernde Siedlungsgeschichte aufweist.
Nach soviel Kultur bietet sich eine Stärkung und ein Sprung ins blauer Meer an: man erreicht nach ca. 15 Minuten Fahrt das lebendige Hippiedörfchen Matala, wo bemalte Strassen, viele Tavernen, Bars und Restaurants, kleine Boutiquen und unzählige Bed & Breakfast-Einrichtungen um die Touristinnen und Touristen werben. Der kleine Ort liegt an einer wunderschönen Bucht, die von durchlöcherten Felsen gesäumt wird - angeblich soll bereits Göttervater Zeus mit Europa hier an Land gegangen sein. Wir genossen einen herrlichen griechischen Salat und mit anschliessendem kühlenden Bad im azurblauen Meer.
Zwar nicht minoisch, aber dennoch sehr sehenswert: bevor man auf der Rückreise hinter Moires links abbiegt und die Hauptstrasse Richtung Heraklion wieder unter die Räder nimmt, lohnt sich die Fahrt noch etwas weiter geradeaus nach Gortis. Die Stadt gehörte vom 5. bis 3. Jhd. v. Chr. zu den mächtigsten Stadtstaaten Kretas, und wurde unter den Römern zur Hauptstadt der Provinz Kreta und Kyrenaika in Nordafrika ernannt. In frühchristlicher Zeit soll Titus, der gemeinsam mit dem Apostel Paulus auf Kreta landete, in Gortis gewirkt haben. Neben dem gut erhaltenen römischen Theater ist jedoch der auf Steintafeln eingemeisselte Gesetzeskodex, der Codex von Gortis aus dem 5. Jhd. v. Chr., das Aushängeschild dieser Ausgrabungsstätte, handelt es sich hierbei doch um einen, wenn nicht sogar den ältesten antiken Gesetzeskodex. Der Codex umfasst sowohl staats- als auch privatrechtliche Bestimmungen, doch die Entzifferung ist nicht leicht, da der Text keine Wortabstände kennt und die Zeilen abwechseln von links nach rechts und umgekehrt verlaufen. Nach Besichtigung der Ausgrabungsstätte von Gortis lohnt es sich, etwas den Trampelpfaden ringsum zu folgen, am Besten kurz der abbiegenden Strasse nach und dann links ins Unterholz hinein: plötzlich befindet man sich vor einer riesigen Ausgrabungsstätte des ehemaligen römischen Heerlagers.
Folgt man von Heraklion der Küstenstrasse westwärts, mit atemberaubenden Ausblicken auf Meer, Küste und Landschaft, so erreicht man etwas südlich der Küstenstadt Rethimno eine Nekropole aus spätminoischer Zeit. Über 200, immer Ost-West ausgerichtete Felsengräber finden sich hier, zum Teil ganz kleine, zum Teil so grosse Gräber, dass man in der Grabkammer stehen kann. Allesamt sind die Gräber aus dem harten Stein herausgehauen. Bei den meisten Gräber findet sich noch der Stein, mit welcher die Gräber verschlossen wurden. Erinnerungen an die Grabkammern in Ägypten, aber auch an biblische Geschichten vom leeren Grab nach Ostern, wurden in uns wach und verdeutlichten uns einmal mehr, dass im östlichen Mittelmeer bereits lange vor unserer Zeit ein reger Austausch von Kultur und Handel stattfand.
Weiter westlich von unserem Hotel besuchten wir noch zwei weitere Ausgrabungsstätten: zum einen die minoische Stadt Gournia bei Pachia Ammos. Hier handelt es sich um eine minoische Kleinstadt, ehemalige Hafenstadt, bei welcher man den durchdachten Stadtplan auch heute noch gut anhand der Ruinen und Überresten erkennen kann. Nach dem Besuch der Anlage bietet sich der Besuch einer Taverne am Strand von Pachia Ammos an, ebenso ein kühlender Bade-Abstecher im Meer.
Und zum zweiten, etwas näher zu Agios Nikolaos, quasi auf dem Rückweg von Gournia, bietet sich der Besuch der Ausgrabungsstätte der antiken Stadt Lato aus dem ca. 5. Jhd. v. Chr. an - also wiederum eine Stadt aus späterer Zeit. Das Stadtzentrum liegt - strategisch gut gegen allfällige Feinde - auf einem Bergsattel, von wo man das Umland gut im Blick hatte. Die Überreste der Siedlung sind unglaublich gut erhalten, in vielen der Kellerräume entdeckten wir Zisterne, mit welchen das Wasser gesammelt wurde. Auch die Ruinen eines Tempels, sowie einer grossen Treppe bei der Agora, sind allesamt gut erhalten und bieten eine Vorstellung vom Leben in dieser antiken Stadt.
Der Kulturreichtum Kretas, insbesondere die Überreste der geheimnisvollen minoischen Kultur, haben uns wiederum begeistert. Die Gastfreundschaft der Bevölkerung, die wunderbare griechische Küche, das blaue Meer, das wunderbare Licht - all das macht Kreta auch weiterhin zu einem Sehnsuchtsort für uns, so dass wir bereits am Ideen schmieden für einen nächsten Besuch sind. Doch bis dahin freuen wir uns auf unsere nächste Reise - Bericht wird folgen. Und einen Überblick über all unsere Reiseerlebnisse gewinnt man auf unserem Instagram Accoung: instagram.com/GoNicePlaces
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